Analyse der DynamikDie im vorhergehenden Abschnitt vorgestellten Ergebnisse haben gezeigt, daß die Hysterese in der --Kennlinie eines Feldeffekttransistors bestimmt ist durch die Dynamik beim Einfang und bei der Emission von Ladungsträgern durch die Quantenpunkte. Die Raten sind klein im Vergleich zu der Sweep-Geschwindigkeit, dadurch werden beim Up-Sweep die Quantenpunkte teilweise besetzt, aufgrund der geringen Emission bleibt die Besetzung beim Down-Sweep weitestgehend erhalten. Es ergibt sich ein Unterschied in der Elektronenkonzentration des 2DEGs zwischen Up-Sweep und Down-Sweep (Abbildung 3.7).
In den bisherigen Rechnungen wurde davon ausgegangen, daß Einfang und Emission durch den Auger-Prozeß, siehe Abschnitt 3.2.1, bestimmt sind. Alternativ dazu ist denkbar, daß statt des Auger-Prozesses die Phonon-assistierten Prozesse, dargestellt in Abschnitt 3.2.2, die Dynamik bestimmen. Bei experimentellen Untersuchungen des Einfangs- und Emissions-Verhaltens von InAs-Quantenpunkten in -, - und -Dioden wurde eine signifikante Temperaturabhängigkeit der Emission festgestellt [Hei97], [Kap00a]. Thermische Prozesse haben sich als eine Erklärung für die Dynamik in den Quantenpunkten im allgemeinen etabliert [Fel01], die Diskussion Auger-Prozeß versus Phonon-assistierte Prozesse ist kontrovers [Usk97], [Adl96], [Ohn96]. Zu dieser Diskussion sollen hier anhand eines Vergleichs beider Prozeß-Typen bei der Entstehung der Hysterese Indizien beigetragen werden.
Die Ratengleichungen (3.33) beziehungsweise (3.34) bestimmen die Zahl der Elektronen, die pro Zeiteinheit in die Quantenpunkte hinein oder heraus gehen. In der Ratengleichung für den Auger-Prozeß (3.33) hängt der Einfang quadratisch von der Dichte der freien Elektronen über den Quantenpunkten ab. Im Gegensatz dazu hängt der Einfang bei Phonon-assistierten Prozessen (3.34) nur linear von ab. Dieser deutliche Unterschied gibt eine Möglichkeit vor, um beim Einfang der Elektronen einen der beiden Prozesse als den geeigneteren zu identifizieren. Beim Auger-Prozeß liegt ein Literaturwert für den Koeffizienten in der Ratengleichung von [Usk98] vor. Für Phonon-assistierte Prozesse gibt es einen Literaturwert für den Koeffizienten des Einphononen-Prozesses, bei dem ein einzelnes Phonon seine Energie an ein Elektron abgibt beziehungsweise das Gitter von einem Elektron einen Energieanteil in Form eines Phonons aufnimmt. Ein Phonon in GaAs hat eine Energie von [Ada85]. Das Quantenpunkt-Energieniveau in unserer Rechnung liegt bei . Um seinen gebundenen Zustand zu verlassen oder umgekehrt, um von einem Quantenpunkt eingefangen zu werden, ist für ein Elektron ein Energieaustausch mit sieben Phononen nötig - einem Multi-Phononen-Prozeß. Da ein Literaturwert für den Koeffizienten dieses Multi-Phononen-Prozesses nicht vorliegt, wurde ein geeignetes durch Fit an die mittels Auger-Prozeß berechnete Kurve ermittelt. Für ergibt sich eine sehr gute Übereinstimmung. Das Ergebnis ist in Abbildung 3.12 dargestellt. Die dazugehörigen Raten zeigt Abbildung 3.13. Up-Sweep und Down-Sweep sind wieder mit entsprechenden Pfeilen gekennzeichnet.
Für den Einphononen-Prozeß liefert die Literatur einen Wert für den Koeffizienten in der Ratengleichung von [Fer99]. Das liegt um sieben Größenordnungen über dem Wert, den ein Fit an die mit dem Auger-Prozeß berechnete Kurve liefert. Nimmt man als grobe Schätzung an, daß jedes zusätzliche Phonon den Koeffizienten um eine Größenordnung ändert, so entspricht der gefittete Wert für einem Multi-Phononen-Prozeß mit neun Phononen. Dies deckt sich auch mit der groben Abschätzung aus dem vorhergehenden Absatz, nach der sieben Phononen benötigt werden, um einem Elektron die Energie zu geben, die es braucht, um seinen gebundenen Zustand zu verlassen beziehungsweise umgekehrt, um von einem Quantenpunkt eingefangen zu werden. Praktisch bedeutet das, daß sieben bis neun Phononen gleichzeitig ihre Energie an ein Elektron abgeben beziehungsweise aufnehmen müssen. Solch ein Multi-Phononen-Prozeß ist als extrem unwahrscheinlich einzustufen. Man kann die Zahl der zu beteiligenden Phononen argumentativ verringern, da es ausreicht, das Elektron erst in den angeregten Zustand zu bringen, von wo aus es dann die Quantenpunkte verlassen kann. In diesem Fall wären zum Beispiel zwei Prozesse mit jeweils vier bis fünf Phononen nötig, wenn angenommen wird, der angeregte Zustand befinde sich auf halbem Wege zwischen Grundzustand und Leitungsbandkante. Damit wäre das Problem verlagert, aber nicht gelöst. Es ist gleichermaßen unwahrscheinlich, einen Multi-Phononen-Prozeß mit sieben bis neun Phononen zu betrachten oder zwei Multi-Phononen-Prozesse mit jeweils vier bis fünf Phononen, die aber instantan nacheinander auftreten müßten.
Der direkte Vergleich von Auger-Prozeß und Phonon-assistiertem Prozeß zeigt also, daß man mit dem Auger-Prozeß und zugehörigen Koeffizienten der Ratengleichung aus der Literatur auf Anhieb eine sehr gute Übereinstimmung mit dem Experiment erzielt. Eine gleich gute Übereinstimmung mit dem Experiment ergibt sich für Phonon-assistierte Prozesse nur, wenn man einen Multi-Phononen-Prozeß mit sehr kleiner Rate modelliert.
Den Vergleich mit dem Experiment kann man noch etwas weiter bemühen. Messungen des Einfangs- und Emissions-Verhaltens von InAs-Quantenpunkten in -, - und -Dioden zeigen eine starke Temperaturabhängigkeit von letzterem. Für die Verweildauer der Elektronen in den Quantenpunkten als auch für deren Relaxationszeiten wurden Werte im Bereich von Pikosekunden bestimmt [Fel01], [Hei97], [Kap00a], [Ray00]. Anhand der Ratengleichung (3.33) ergibt sich für den Auger-Prozeß eine quadratische Abhängigkeit des Einfangs von der Dichte der freien Elektronen über den Quantenpunkten . Für die Emission ist diese Abhängigkeit linear. Für Phonon-assistierte Prozesse (3.34) ist die Abhängigkeit des Einfangs von linear, für die Emission hängt sie gar nicht von ab.
Die Dichte der freien Elektronen über den Quantenpunkten wiederum hängt von der Temperatur und von der Dotierung des Bauteils ab. Das heißt, für hohe Temperaturen wird der Auger-Prozeß sehr schnell, sogar noch schneller bei dotierten Strukturen [Usk97]. Für die Multi-Phononen-Prozesse ist diese Abhängigkeit wesentlich schwächer. Mit dem Auger-Prozeß kann also sowohl das langsame Einfangs- und Emissionsverhalten bei niedrigen Temperaturen und geringen Ladungsträgerdichten erklärt werden - so geschehen in diesem Kapitel - als auch eine mögliche Begründung für die großen Einfangs- und Emissionsraten bei hohen Temperaturen und Ladungsträgerdichten gegeben werden. Der modellierte Multi-Phononen-Prozeß hingegen würde aufgrund des kleinen Koeffizienten auch bei hohen Temperaturen und Dichten langsam bleiben.
Damit ist sicherlich keine eindeutige Aussage für einen der beiden Prozesse machbar. Ein Indiz für den Auger-Prozeß innerhalb der kontroversen Diskussion ist aber gefunden. |